Traumberuf Journalist– doch wie gelingt der Einstieg in die Branche und wie bekommt ihr eines der begehrten Volontariate? Schekker-Autorin Sabine hat schon mehrere Auswahlverfahren mitgemacht. Hier erzählt sie euch von ihren Erfahrungen.
Klassentreffen meines Abiturjahrgangs: In dem mit Teppichboden ausgelegten, verstaubten Klassenzimmer wird resümiert: „Und? Was machst Du so?“ Zwei Drittel meiner ehemaligen Mitschüler haben handfeste Antworten, wie: „Ich studiere auf Lehramt“. Ich kann nur verkünden: „Ich bin mit meinem Bachelor in Medienwissenschaft mit Nebenfach Anglistik fertig und beginne nun einen Master in Literaturwissenschaften.“ Ratlose Augen blicken mich an, gefolgt von: „Was willst du damit?“ – „Journalistin werden.“ – „Aha… Wie wird man das?“ Gute Frage.
Auf nach Hamburg!
Zwei Wochen später sitze ich in einem ICE von Leipzig nach Hamburg, um dort an der Endrunde der Volontärs-Auswahl der Financial Times Deutschland teilzunehmen. Ich melde mich bei der Rezeption, und werde gleich weitergeleitet. In einer Lounge warten meine 15 Mitbewerber, die sich um sechs Stellen balgen. Ich bin mit Abstand die jüngste. Das kann ja was werden. Mir bleibt aber keine Zeit, mir weiter Gedanken um meine Chancen zu machen.
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Knifflig: Bei der Bewerberrunde um eine Stelle bei der FTD muss Sabine eine Reportage über die Hamburger Hafencity schreiben. Foto: Dörte Marquardt / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz (by-nc-nd)
Wir werden sofort ins eiskalte Wasser geschubst. Der Auftrag: Schreibt in der Hamburger Hafencity ohne Internet oder Vorrecherche eine Reportage zum Wandel des Stadtviertels. Ganz schön knifflig – ich kenne Hamburg ja überhaupt nicht. Als ich nach draußen trete, hagelt es und man könnte meinen, die Welt ginge unter – auch das noch. Es hilft ja alles nichts, ich muss da durch und bringe schließlich eine Reportage über ein Literaturfestival aufs Papier, das gerade in der Hafencity stattfindet. Tag eins ist geschafft und ich falle erschöpft in mein Bett.
Unendlich viele Menschen wollen Journalist werden. Verständlich, denn es ist ein kreativer, scheinbar nie langweilig werdender Job. Hinzu kommt, dass in Deutschland die Berufsbezeichnung frei ist. Jeder, der mag, kann sich Journalist nennen. Für mich steht dennoch fest: Ich will das volle Programm mit Redaktionsleben, Schreiben, Redigieren. All das macht mir Spaß, ich war immer an Politik interessiert und habe meine Mutti früher tierisch damit genervt, dass ich ihr täglich den Mantelteil der Zeitung klaute.
Knallhartes Programm
Genau an diese Anekdote muss ich denken, als wir am Frühstückstisch im Hotel sitzen und jeder versucht, dem anderen die aktuelle Financial Times-Ausgabe zu stibitzen. Wir machen uns mit der U-Bahn auf und werden von allen FTD-Redakteuren begrüßt. Das Programm für Tag zwei ist straff: Er startet um 9 Uhr mit einer Vorstellungsrunde, anschließend müssen wir jeweils eine Nachricht, einen Kommentar, einen Teaser und einen Online-Headliner verfassen. Es folgt ein Wissenstest, auf den die Aufgaben folgen, ein Portrait über den Sitznachbarn zu schreiben und ein Rechercheinterview zu führen. Die Rechtschreibprüfung bei Word ist dabei ausgestellt, einen Internetzugang gibt es auch nicht. Es bleiben nur du und dein Können. Und das war nur das Programm bis zu Pause!
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Vorbereitung auf das Vorsprechen: Lesen der aktuellen Ausgabe der Financial Times. Foto: Sabine Winkler
Anschließend reden wir über den Aufbau der Journalistenausbildung und erfahren dabei beispielsweise, dass zu dem Volontariat ein Intensivkurs an der Henri-Nannen-Schule und ein Auslandsaufenthalt in Brüssel gehört. Nach dieser kurzen Atempause folgt eine Gruppenaufgabe: Wir sollen eine fiktive Redaktionskonferenz abhalten. Ich komme abends dann nicht einmal mehr dazu, mir Gedanken zu machen, wie ich mich geschlagen habe, sondern falle in einen komatösen Schlaf.
Karrierefahrplan befolgt?
Wer Journalist werden will, sollte möglichst einen bestimmten „Karrierefahrplan“ verfolgen. Bei dem Bewerbungsgespräch am dritten und letzten Tag wird mein Lebenslauf auf diesen hin abgeklopft. Gleich acht Redakteure aller Stammressorts nehmen mich unter die Lupe. Station eins: Mitarbeit bei der Schülerzeitung? Wie sieht es mit Praktika und freier Mitarbeit bei einer Tageszeitung aus? Station zwei: Ist die Abiturnote gut? Reicht sie, um an einer guten Universität einen passenden Studiengang belegen zu können? Station drei: Wie zielstrebig wurde die Journalistenkarriere weiter verfolgt, beispielsweise durch freie Mitarbeiterschaften, Praktika?
Darüber hinaus stellen sie mir Fragen zur englischen Wirtschaft und dem Finanzmarkt. Schwierig für mich, ich komme nicht vom Fach. Ich habe lediglich ein Semester lang Ökonomik studiert und interessiere mich generell für die Zusammenhänge in der Wirtschaft. Auf die Frage, was ich mit 100.000 Euro anfangen würde, antworte ich nur semibefriedigend, dass ich sie auf ein Tagesgeldkonto überweisen würde.
Ich komme mir ungebildet vor. Manchmal habe ich das Gefühl, Volontärs-Auswahlverfahren sollen mit Absicht das Gefühl vermitteln, umsonst studiert zu haben. Jetzt hieß es ein ganzes Wochenende lang warten.
Weiter im Text…
Eins vorne weg: Es hat nicht geklappt mit dem Volontariat. Allerdings habe ich noch gefühlte hunderttausend Bewerbungen offen und erfreue mich an meinem Master in Literaturwissenschaft. Gleichzeitig wandle ich als rasende Reporterin für dies und jenes durch die Republik. Wenn ich gefragt werde, ob das nicht alles anstrengend ist, denke ich zunächst: Ja. Für Bewerbungsgespräche musste ich bisweilen bis zu acht Stunden mit dem Zug fahren, um gegen 11.00 Uhr in einer Kölner Redaktion zu sein. Ich habe unendlich viel Zeit investiert in all die Bewerbungsschreiben und Kontaktdaten-Recherche. Aber das ist mir egal. Ich würde jederzeit wieder einen Drei-Tage Marathon wie in Hamburger absolvieren. Denn ich weiß, was ich will: Journalistin sein.
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